Es war die Zeit, in der der Winter nur noch eine Erinnerung und der letzte Schnee getaut war. Die Bäume standen in fettem Grün. Die ersten Blüten kamen hervor. Mensch und Tier hob zur Balz an. Es war Ostara.
Jander hatte auf seinem Hof zu einem Fest geladen, bei dem die letzten Wintervorräte aufgetischt wurden. Auch wurden zur Feier des Tages einige Schweine geschlachtet und einige Fische zog man aus dem Meer. Es sollte ein reichhaltiges und schmackhaftes Mahl werden.
Neben den Leuten von Janders Hof, den Sippenmitgliedern aus Husavik, Erik, Isegrimm, Finn und Teilur aus Bjanderhaven fanden sich weitere Gäste ein. Einige Tage zuvor kam Onkel Thore mit Snorre aus Daneland an. Am Abend vor dem Fest traf überraschend Kjolva Thorgedsdottir, Schildmaid aus Ronland, mit ihren zwei Mägden ein.
Beim traditionell stattfindenden Sippenrat am Abend vor Ostara berichtete Kjolva von dem Grund ihres Kommens. Ihre Sippe hatte ihr den geforderten Einvegi gegen Gleb, einem Rus, der mit dem Heer zieht, verweigert und sie statt dessen zu einem Holmgang auf das erste Blut verpflichtet. Diesen verlor sie. Da sie nun ihre Ehre angeschlagen sieht und am Rückhalt ihrer Sippe zweifelt, zieht es sie erstmal zu einer Verwandten in die Südlande, um dort Rat zu holen. Sie bat Jander in dieser Zeit ihre halbwüchsigen Mägde zu beherbergen. Dieser willigte ein und gab Kjolva zu verstehen, dass auch sie stets ein Heim bei den Ylfingen finden würde.
Weiterhin berichtete Jander von den Ereignissen des letzten Winterthings des Großen Heeres. Einhellig stellte man wieder mal die Ehrlosigkeit eines Großteil des Stieres und der Lendermannen fest, die nicht in der Lage waren, sich an der Vertreibung eines Frostriesen in Form des toten Ragnvalds, zu beteiligen, obwohl dieser alle Kinder der Insel bedrohte. Wieder einmal mussten die Gäste mit Fjoreholms Gezücht fertig werden, um den Nachwuchs zu sichern.
Als freudiges Ereignis des Rates bleibt die Freisprechung von Isegrimm von seinen Schulden durch Erik in Erinnerung. Isegrimm hat den restlichen Silberschatz seiner Familie ausgegraben und den Schmuck seiner verstorbenen Mutter in einer Axt verarbeitet, die eines Jarls würdig wäre aufgrund ihrer Schönheit. Beides überreichte er Erik, der ihn von seinen Schulden freisprach.
Isegrimm berichtete weiter von den Erlebnissen in Hornwall, wo er gemeinsam mit Rökkva und Finn als Unterstützung für den Kampf gegen die Orks entsandt war. Der Feldzug war erfolgreich. Die Orkplage in Hornwall ist anscheinend zuende.
Kurz vor Abschluss des Rates klagte Teilur Jander an, weil dieser auf dem Winterthing Strafen angedroht hatte, für alle jene, die ohne Erlaubnis alleine auf Fjoreholm unterwegs waren. Dies ging soweit, dass bei viermaligem Verstoß der Betroffene für ein Jahr sich als Rudersklave verdingen müsste. Diese Strafe zog Teilur in Zweifel. Da sich jedoch jeder andere dafür aussprach, dass Jander das Recht habe, solche Strafen zu verhängen, zog Teilur schließlich seine Klage zurück und sprach Jander gegenüber erneut seine Treue aus.
Damit wurde der Rat beendet. Den restlichen Abend verbrachte man bis tief in die Nacht mit Feiern, Trinken, Reden und Würfeln. Gründe dafür gab es genug. Es war ein fröhlicher Abend und eine gute Einstimmung auf Ostara.
Der nächste Tag brach an. Der Tag des Festes. Nach einem üppigen Frühstück begann man sich mit Würfeln, Geschicklichkeit- und Kraftspielen zu vergnügen, während die halbwüchsigen sich im Kriegshandwerk übten.
Im Laufe des Tages trafen weitere Gäste ein. Mikjall Petterson aus Spjotholm kam mit Familie und Gefolge zum Feiern. Gripnir aus Hornwall traf ebenfalls im Laufe des nachmittags auf dem Hof ein. Dieser kam eigentlich um Isegrimm für seine Leistungen im Orkkrieg zu entlohnen, blieb jedoch gerne auf Janders Einladung zum Fest.
Und so verbrachte man den Rest des Tages mit weiteren Spielen, guten Gesprächen und gutem Bier. Infolgedessen wurde ein neues Spiel erfunden. Durch den Brauch, dass ein Mann oder ein Weib auf Balz, denjenigen, mit dem er oder sie das nächtliche Lager teilen möchte, mit Blumen bewirft, entstand bei Sveigir die Idee, die Blumen in einem Geldsäckchen zu verstecken, um eine evtl. unwillige Partnerin auszutricksen. Durch das Hin- und Herwerfen des Geldsackes im Kreis der Sippe und Gäste entstand schließlich das Spiel ‚Heckensack', bei dem man versucht, den Blumensack im Spielkreis tretend und schlagend in der Luft zu halten. Von der ursprünglichen Absicht des Sackes wurde dabei im Laufe des Abends Abstand genommen. Wer letztendlich mit wem das Lager geteilt hat, wird dem Wissen der Nornen überlassen.
Bevor die Sonne erneut den Horizont berührte, rief Jander zum Ostara-Ritual. Mit dem großen Festhorn der Ylfinge wurde den Asen geopfert und die Gäste willkommen geheißen. Das Horn begann seine Kreise zu ziehen. Zwei neue Mannen, die wenige Tage zuvor auf Janders Hof kamen und Arbeit suchten, Thorolf und Valgard, erhielten die Einladung in Janders Dienste zu treten. Ihre Arme und Waffen werden eine gute Unterstützung in den kommenden Kriegsgeschehen sein.
Und schließlich bat Jander mich in den Kreis, um mich aus der Gefolgschaft heraus in die Sippe aufzunehmen. Ich war überrascht und gerührt, denn dies hatte ich nicht erwartet. Anscheinend wollen mir die Asen in diesem Frühling sagen, dass mein Winter noch fern ist. Und ich merke, wie insgeheim die Hoffnung keimt, dass noch viele Winter ins Land gehen mögen, in denen ich im Kreise dieser Sippe leben und streiten kann, auch wenn die Sehnsucht nach jenen, die ich verloren habe, mich immer wieder den Blick nach Walhalla richten lässt. Doch ist es nicht an mir, zu entscheiden, wann mein Lebensfaden endet. Aber eines weiß ich. Es ist lange her, dass ich mich so lebendig gefühlt habe. Aber ich schweife ab von meiner Erzählung.
Nachdem das Horn seine Kreise beendet hatte und gelehrt war, wurde zum Festmahl gerufen. Mette und die Knechte und Mägde hatten sich selbst übertroffen. Hungrig nach dem langen Winter verzehrten die Anwesenden die aufgetischten Köstlichkeiten. Bei Bier, Met und Schnaps ging man schließlich wieder ins Feiern über. Es wurden Geschichten von Onkel Thore erzählt und Kriegspläne für die kommenden Monate geschmiedet. Jander kündigte an, von Bjandervik aus Richtung Drekjorkulls zu ziehen, um dort eine Wehrburg zu errichten und Orks zu jagen. Er lud jeden Schwertarm ein, sich ihm anzuschließen. Weiterhin wurden in Festlaune einige Geschäfte getätigt und gewürfelt.
Der Abend endete, als sich die Sippe und die verbliebenen Gäste auf die Lager zurückzogen. Manche allein, manche zu zweit um dem angekommenen Frühling noch bis in die Morgenstunden zu huldigen.
Von Haldis Thorgrimsdottir