Nach ruhiger Überfahrt landet das Drachenboot an der Küste. Die Mannen springen von Bord. Nur wenig haben sie bei sich. Ein dunkler Wald liegt vor ihnen, doch keiner wagt den ersten Schritt hinein. Ungewöhnlich still stehen alle zusammen. Angst macht sich breit. Der Wald scheint Augen zu haben. Jemand oder etwas beobachtet die Gruppe. Doch dort bleiben können sie auch nicht, also machen sie sich langsam und wachsam auf den Weg zu der geheimen Hütte des Jarls im Schneetal. Die Augen des Waldes scheinen überall zu sein, nur sehen können die Mannen nichts.

Doch da! Plötzlich peitschen Pfeile aus dem Unterholz. Die Weiber schreien, schützen sich mit Schildern. Auch die Krieger schreien durcheinander. Es ist nichts zu sehen. Kämpfer scheinen sich der Gruppe zu nähern. Alle sind auf den Beinen, Schwerter, Saxe und Äxte blitzen in der Sonne, doch sie haben kein Ziel. So schnell wie es begonnen hat, ist dieser eigenartige Angriff auch wieder vorbei. Es gibt Verletzte, doch nichts Ernstes. Langsam kehrt Ruhe ein. Die Gruppe will weitergehen. „Wo ist Teilur“ fragt Svölnir in die Stille. Niemand hat ihn gesehen oder kann ihn finden. „Er ist weg“ sagt Ran. „Wir können ihn nicht suchen, wir müssen weiter, sonst verlieren wir vielleicht noch mehr.“ Svölnir treibt die Gruppe vorwärts. Doch auch andere Gruppen kommen nicht ungeschoren durch den Wald. Olafs Töchter müssen sich einem Bären erwehren und entkommen nur knapp. Und die Gäste aus Ronland werden von einer geheimnisvollen Schönen verführt. Sie bietet ihnen Milch und Kekse an. Erschöpft von der Reise greifen Jole und Svala zu. Sie wissen nicht was sie damit auslösen. Doch widerstehen können sie dem Drang nach Milch und Keksen gar nicht. Die Magie der Nymphe ist viel zu stark.

Endlich erreichen alle die Hütte im Tal. Vor der Tür stehen Jander und Mette mit Olaf und Diana. Sie warten auf die Wanderer. Und wer steht da bei ihnen? – Teilur!

Noch bevor jemand auch nur fragen kann was Teilur passiert ist und wie er hier her kommt, ruft der Hersir seine Sippe zusammen. Und er schäumt vor Wut. „Mein Vater, der Jarl rief mich zu sich, um mich zu fragen was aus meinen Kriegern geworden ist. WASCHWEIBER? Auf dem Weg zu dieser Hütte seid ihr nicht von Feinden angegriffen worden, sondern von Männern des Jarls und ihr habt euch angestellt als seid ihr fett und faul geworden! Doch das hat nun ein Ende. Ihr bleibt solange hier und stählt euch bis eure Tatkraft zurück ist. Unsere Feinde sollen wieder vor Angst auseinander springen wenn sie nur unseren Namen hören.“ schreit Jander. Gefallen tut es Jander nicht seine Sippe so zu empfangen, aber auch er hat keine Wahl. Es sind die Worte seines Vaters, die er spricht.

Niemand sagt ein Wort. Das haben sie nicht erwartet. Besonders die Húskarle empfinden eher Wut als Scham. Sie hatten sich nichts vorzuwerfen. Alle hatten gekämpft das Haus, den Hof, den Hersir und die ganze Familie geschützt. Aber sie sagen nichts, nehmen die Worte ihres Herrn hin. Sogleich beginnen die Übungen. Zweikämpfe mit Schwert und Schild werden geübt. Das Ringen und der Kampf auf dem Balken stehen auch auf dem Program. Doch irgendetwas stimmte nicht. Einige Männer und Frauen beginnen sich komisch zu verhalten. Sie fangen einfach an zu tanzen, kratzen sich am ganzen Körper, sie kleben aneinander, bluten einfach so aus der Nase, schreien ohne Grund vor Schmerz, die sie wohl leiden oder bellen wie die Hunde. Die Heilerinnen und die Kräuterfrau haben alle Hände voll zu tun die Männer zu heilen. Merkwürdige Nachrichten und Botschaften mit Rezepten kommen ihnen wie aus dem Nichts zur Hilfe. Die Heilung braucht allerdings Zeit, denn nur zwei der Frauen sind des Lesens mächtig. Die Krieger sind ungeduldig und verängstigt. Wer verhext sie? „Gut Ding will Weile haben.“ sagt Embla beruhigend zu den Kranken. Doch sie und die anderen arbeiten fieberhaft.

Und es gelingt. Am Ende des Tages sitzen alle gesund und munter beim Essen.

„Das kleine Volk zürnt uns,“ sagt Hillevi, “das steht in den Botschaften .“ Die Krieger sind beunruhigt. Will das kleine Volk ihnen schaden? Warum?

Bis die Nacht hereinbricht geschieht nichts ungewöhnliches mehr. Man sitzt gemütlich bei einander und erzählt Geschichten. Die wilden Männer der Sippe prahlen mit ihren Heldentaten und übertrumpfen sich in ihrer Aufschneiderei. Die Ylfinge und ihre Gäste legen sich bald zur Ruhe. Alle umfängt der Schlaf, Ruhe liegt über dem Tal.

ALARM! ALARM!

Olaf schreit durch die Nacht. Die Männer und Frauen springen aus den Betten. Sogar Svala, Eriks Weib, rennt durch die Dunkelheit. Sie trägt ein Kind unter Herzen, doch sie scheut nicht den Kampf.

Der Krumbazda greift an!

Ein Mensch, der den Zorn der Götter zu spüren bekam. Doch seine Geschichte ist eine lange und soll ein anderes Mal erzählt werden.

Die Prahlerei in den Geschichten hat ihn angelockt. Der Kampf beginnt. Nun muss ein jeder zeigen, ob er nur ein Prahlhans ist oder ein Mann.

Töten kann man den Krumbazda nicht. Nur ein ehrlicher und tapferer Krieger kann ihn besiegen und damit vertreiben. Auch vor der Hütte kommt es zum Kampf. Alle Krieger greifen beherzt zu den Waffen und jeder stellt sich dem Zweikampf, doch nur der gute Jole aus dem Ronland wird vom Krumbazda als würdig angesehen und gewinnt den Kampf. Der Krumbazda ist geschlagen und sucht das Weite!

Nachdem sich die Aufregung gelegt hat und die Verwundeten geheilt sind, senkt sich nun endlich der Frieden der Nacht über das Tal.

 

Der nächste Tag

Nach einem guten Frühstück treibt Jander seine Mannen wieder ins Freie. Neue Herausforderungen warten auf alle. Aber auch das Vergnügen will Jander seien Leuten nicht nehmen und so ordnet er ein Kopfballspiel an. Ein geeigneter Kopf ist schnell zur Stelle, die Björnsons haben einige Krieger zur Verfügung gestellt.

Die Heilerinnen und die Kräuterfrau sind derweil im Wald und suchen nach Kräutern. Sie wissen noch gar nicht wie dringend sie zurück erwartet werden. Die Kobolde treiben schon wieder ihr Unwesen. Wieder verhalten sich die Ylfinge und ihre Gäste eigenartig. Jetzt allerdings wissen die Heilerinnen was zu tun ist. Sie suchen nach Botschaften und Rezepten um die Kranken zu heilen. Wer den Kobolden ihr Opfer stiehlt, muss mit Strafe rechnen. Soviel ist nun den klugen Frauen klar. Allein Hillevi empfängt mehr als geschriebene Nachrichten. Ein heftiger Tagtraum schüttelt sie. Das kleine Volk führt Krieg untereinander und die Menschen sind Schuld!

Die Ylfinge sind ratlos. Was haben sie getan? Niemand ist sich einer Schuld bewusst.

Da hat Embla einen Einfall. Hillevi war in der Schule der Völva, und auch wenn die nicht da ist, soll Hillevi mit dem kleinen Volk sprechen. Embla und Sunna brauen gemeinsam den Trank mit dem man die Elfen sehen kann. Doch als Hillevi davon trinkt geschieht nichts.

Alle warten, doch nichts passiert. Olaf tritt vor. „Es reicht. Wenn Hillevi nicht die Auserwählte ist, dann trinkt jetzt jeder einen Schluck! Dann sehen wir was passiert.“

Gesagt getan. Als jeder einen Schluck des Tranks genommen hat, taumeln auf einmal alle etwas hin und her. Die Farben verändern sich, alles dreht sich. Langsam setzt sich der Pulk in Bewegung in den Wald. Sunna führt die Gruppe an, gezogen von einer fremden Macht. Sie hatte schon am Mittag das Gefühl in den Wald gelockt worden zu sein. Plötzlich finden sich die Ylfinge auf einer Lichtung wieder. Nichts wächst mehr hier. Alle Pflanzen sind tot, kein Geräusch ist zu hören.

Da! Hinter einem umgestürzten Baum bewegt sich etwas. Alle starren wie gebannt auf die Wurzel. Plötzlich zeigt sich eine wunderschöne Frau hinter dem Baum. Ihre Flügel sagen allen, dass dies eine Elfe ist. Lange spricht sie zu den Ylfingen und erklärt, warum die Magie aus dem Wald weicht und damit auch alles Leben.

Die Nymphen sind eifersüchtig auf die Kobolde. Die Menschen bringen den Kobolden Milch und Kekse. Das wollen die Nymphen auch. Deshalb haben sie Jole und Svala verführt den Kobolden die Opfergaben zu stehlen. So wollten sie auf sich aufmerksam machen. Die Kobolde ihrerseits konnten diesen Frevel nicht auf sich sitzen lassen. Deshalb haben sie die Menschen verhext. Nur durch Gerechtigkeit zwischen den Nymphen und den Kobolden und durch die Opfergaben der Menschen kann der Krieg beendet werden. Dann hören auch die Übergriffe der Kobolde auf.

Und so bringen die Ylfinge und ihre Gäste in einer kleinen Zeremonie den Nymphen und den Kobolden ein Milch und Keks-Opfer.

Nun hört alles Ungewöhnliche auf und es ist wie immer.

Diese Geschichte wird eingehen in die Reihe der Geschichten die abends am Feuer erzählt werden.

verfasst von Embla o'Raigäin

 

 

Nachtrag von Erik Holgerson

„… Still war es nun geworden in der kleinen Hütte, als auch der letzte Zecher ins Bett ging. Viel Zeit blieb ihnen nicht, wollten sie ihren Plan umsetzen. Leise zogen sie ihre Kleider und Rüstungen an. Der Halbmond gab nur ein schwaches Licht und niemand sah die sieben Gestalten auf dem Hof vor der Hütte.

Isegrimm und Erik fiel die Entscheidung nicht leicht, denn was sie nun taten war offener Eidbruch. Eidbruch gegenüber Skafloc und auch gegenüber Jander. Doch was sollten sie machen? Man hatte sie rufen lassen und sie aus dem Norden herunter befohlen. Schwer viel ihnen die Fahrt zurück in den Süden und was sie vorfanden traf sie schwer. Der Jarl verlangte von ihnen im Süden zu bleiben und den Jüngeren das Kämpfen zu lehren, während im Norden die Feinde das Land verheerten. Zwar hatte er seine Männer geschickt, um die Höfe zu schützen, doch das war für sie nicht Schutz genug.

Schlimmer wurde es am Abend. Jander verkündete die Worte seines Vaters. Unzufrieden war er mit den Ylfingmännern. Beschimpfte sie als träge und nicht mehr willig zu kämpfen. Die Húskarle mussten sich zusammenreißen, um Jander nicht ins Wort zu fallen, dachten sie doch, den Winter über genau das getan zu haben, was Skafloc von ihnen forderte.

Erik verabschiedete sich von Svala, musste er doch wieder von ihr gehen. Als er ihren Bauch berührte, umfing Furcht sein Herz. Die Bilder der geschändeten Frauen und ihrer getöteten Kinder, die sie bei den überfallenden Höfen fanden, brannten sich in seinen Geist. Und still schwor er sich, dass seiner Familie so ein Schicksal erspart blieben sollte.

Dann verabschiedeten sie sich von Svölnir. Schwer fiel ihm der Abschied, doch hatte er Verständnis für die Entscheidung seiner Waffenbrüder und versprach ihnen so gut es ging zu helfen, falls der Jarl zur Verfolgung rufen sollte.

Sie nahmen ihre Waffen und verschwanden im Wald, den Fluss entlang Richtung Meer. Erik schaute sich um und sah auf die gesengten Häupter von Sven, Rökkva und Finn. Froh waren sie gewesen die Familie wieder zusehen und den Kampf für ein paar Tage vergessen zu können. Doch hatten sie keinen Moment gezögert den beiden Húskarlen zurück nach Husavik zu folgen. Erik und Isegrimm sahen sich in die Augen, beide wussten, dass Jander ihre Abreise nicht gutheißen würde und vor Wut wohl auch toben würde. Doch als Erik seine Gedanken weiter schweifen ließ, lächelte er kurz. Scheinbar war Jander nicht der einzige Hitzkopf in der Sippe der Ylfinge.

Die Nacht war schier undurchdringlich, dennoch drängte ich meine Mannen zur Eile. Das bisschen Vorsprung was wir hatten, durften wir auf gar keinen Fall verschwenden. In meinem Rücken vernahm ich das leise Fluchen von Isegrimm, als er den Halt auf dem unsteten Boden verlor. „Einige Dinge ändern sich nie…“ ich grinste in das Dunkel des Waldes hinein und schritt weiter voran.

Kurz vor Morgengrauen erreichten wir den Hafen, Jander rechnete sicher damit, dass wir nördlich auf direktem Wege zu Husavik marschieren würden, aber ich hatte einen anderen Plan.

„Halt, was wollt ihr hier?“ die Wachen waren aufmerksam und richteten die Speere auf uns, wie es sich für Männer der Ylfinge gehörte. „Was wir hier wollen?!“ ich schnaubte verächtlich. „Jander schickt uns, dem Jarl Nachricht zu bringen. Ich bin Erik, der Sohn Holgers dem Rächer.“ Die Wachen erkannten mich, aber ihre Speere sanken nicht. Sie ahnten etwas, oder nicht?

„Keiner sollte das Tal verlassen, Herr. Der Jarl hat es be…“ „Ich weiss was der Jarl befohlen hat, denkst du ich bin ein einfältiger Narr?“ ich gab vor in meiner Ehre verletzt worden zu sein und bäumte mich auf, die Speere sanken ein wenig und auch die Moral der Wachen. „Ein blinder Ziegenkopf vielleicht?“ knirschte ich zwischen meinen Zähnen hervor, im Augenwinkel sah ich Finn nervös seinen Schwertgriff berühren.

„Gaaaanz ruhig, meine Herren. Wir sind doch alle vom selben Schlag. Hier muss doch nicht wegen so einer Kleinigkeit Blut vergossen werden!“ Isegrimm drängte sich zwischen uns, ich knurrte ihn an – wir verstanden uns. „Wachtmeister, denkst du die rechte Hand des Hersirs und der Gesetzessprecher marschieren zum Spaß durch den Wald?“ Er hob bei jedem seiner Worte beide Hände und richtete sie auf die Wachen, wie im Bann starten sie ihn an. Das war unsere Chance. Hier und jetzt mussten wir handeln, sonst säßen wir fest. „Nimm sie nicht in Schutz, Skräling!“ Ich stiess Isegrimm mit voller Wucht gegen die linke Wache, beide stürzten sie auf den matschigen Hafenboden. Der Wachtmeister erkannte die Situation nicht und drehte sich hilfsbereit zu den Männern am Boden. Ich schlug ihn nieder, mein neuer Knecht Sven übernahm ohne zu zögern den anderen Mann.

„Grossartig. Wenn du mich schubst, schubs mich doch bitte Richtung etwas Trockenes!“ Isegrimm rollte die Augen, tätschelte die bewusstlose Wache und wir machten uns schleunigst auf zu dem Landungssteg. Eine kleine Knörr lachte uns entgegen, wir hatten Glück. Der betrunkene Kapitän nicht, aber er willigte bei meinen… Argumenten… gern ein uns in den Norden fahren zu dürfen.

Der Wind lag günstig und die See war uns Hold, im Stillen dankte ich den Asen und hoffte nicht zu spät nach Husavik zurückzukehren. Wir segelten an der Küste entlang und machten nicht einmal nachts Rast. Die Sorge war zu groß dass der Jarl von unserer Tat hören und uns die eigenen Männer auf den Hals hetzen würde. Mit Sorge betrachtete ich meine ruhenden Kameraden. Nur Finn war wach und schnitzte irgendetwas Obszönes in die Rehling, ich setzte mich zu ihm. „Tja. Das war sicher nicht unsere schlauste Tat.“ als ich die Worte aussprach, bemerkte ich wie ich geistesabwesend meinen Thorshammer befingert hatte. „Na ja, wenigstens ist es nicht unsere letzte Tat gewesen.“ Finn schien durch nichts aus der Ruhe zu bringen zu sein, langsam erkannte ich sein Schnitzwerk – für meinen Geschmack war der Schwengel zu klein geraten. Kurz klopfte ich ihm auf die Schulter und starrte auf die Küste, alles schien zu ruhen. Mit Glück sollten wir bald wieder in Husavik sein.

In einem kurzen Moment malte ich mir aus, was wohl mein Onkel gerade trieb. Dann lies ich es lieber bleiben und legte mich hin. Und ich tat gut daran, denn während wir segelten, begab sich Jander zu seinem Vater.

Denn schlechte Nachrichten verbreiten sich deutlich schneller als Gute und er musste seinem Jarl und Vater Rede und Antwort stehen. Er betrat die dunklen und schwach beleuchteten Hallen seines Vaters und stellte sich vor seine Tafel. „Grüße, mein Jarl und Vater.“ Jander wischte sich den Regen von seiner Glatze und versuchte seine Augen an das Zwielicht zu gewöhnen. „Du weißt was deine Männer getan haben und du weißt hoffentlich auch was für eine Strafe auf Eidbruch steht?“ der alte Skafloc schien vor Wut zu kochen, aber er zügelte seinen Zorn. Es gab wenige Dinge, die ihn aus der Ruhe brachten, nur Ungehorsam und Verrat weckten etwas tief in ihm, was alle Männer der Insel fürchteten. „Du weißt es ja auch, Vater. Überlass die Sache mir, ich werde die Männer angemessen bestra…“ „Töten wirst du sie!“ schrie der Alte und stoppte Janders Worte, Spucke flog aus seinen Mundwinkeln. „Kein Gericht, kein Urteil, kein Kampf. Ich will sie in Stekkjargjá baumeln sehen. Deine zwei Lieblinge sollen hängen!“ Jander kannte seinen Vater und wusste auch was er sagen müsste, um ihn zu beruhigen. Tief in seinem Inneren fragte er sich, ob seine Neffen wussten, was sie ihm hier eingebrockt hatten. Je länger er darüber nachdachte, desto eher verstand er ihr hektisches Handeln, aber dass sie sich nicht ihm anvertraut hatten in ihrer Not, war ihm immer noch ein Rätsel. „Vater, vertrau mir die Sache an. Ich werde sie bestrafen, nach meiner Art und Weise, denn es sind meine Männer und ich entscheide über ihr Leben und ihren Tod.“ Skafloc ließen diese Worte unberührt aber er hielt kurz inne. Das war Janders Chance, er ließ sich Zeit für seine nächsten Worte und wählte sie weise. „Du weißt, ich habe mir etwas ausgedacht, was weit kostspieliger für sie ist, als vogelfrei zu sein oder gar zu sterben. Und du darfst nicht vergessen, wir brauchen jeden Mann in diesen… harten Zeiten.“ Skafloc schleuderte wie von Sinnen seinen bronzenen Kelch gegen die Wand, langsam richtete er sich von seinem Thron auf und starrte seinem Sohn lange und tief in die Augen. Dann brach sein typisch kehliges Lachen heraus. „Einverstanden, Sohn, einverstanden…“ Er setzte sich wieder hin und beugte sich über seine Tafel. „Erzähl mir mehr.“

Am nächsten Morgen erreichten wir Husavik, kein weiterer Hof brannte. Die Männer des Jarls hatten ihre Arbeit gut getan. Doch freuten sie sich kaum über unser rasches Erscheinen. Fast brach ein Kampf aus, die Männer ahnten, was wir verbrochen hatten. Doch waren wir zu bedeutend, so dass sie anstelle unserer einfach anzugreifen, dass Weite suchten. „Das werdet ihr bereuen. Beim nächsten Aufeinandertreffen werden wir sicher die Klinge kreuzen.“ waren die letzten Worte des Hauptmannes. Ich wusste, dass er Recht behalten würde, widmete mich aber wieder unserer kleinen Gemeinde und derer Verteidigung. Isegrimm konnte unsere Ankunft kaum erwarten, er verschwand schnell zu dem Hof seines Vaters ohne etwas zu sagen und ich traf ihn erst wieder als die Männer des Jarls nach ein paar Tagen zurückkehrten. Dummerweise kamen sie mit Verstärkung und mit Jander als ihren Anführer. Es konnte nicht schlimmer werden. „Isegrimm… du siehst scheiße aus. Hast du die Tage überhaupt gegessen oder geschlafen?“ Isegrimm befingerte die Kette seiner Mutter, die er nun am Halse trug. „Ich hatte noch etwas zu erledigen…“ war seine einzige Antwort, ich beließ es dabei, trauernde Männer sollte man in Frieden lassen. Jander liess uns entwaffnen, wir wehrten uns nicht. Der Hauptmann des Jarls hatte seine wahre Freude daran uns herumzustoßen und zu geißeln. Unserem Onkel gefiel dies nicht, dennoch griff er nicht ein. Doch sollte der Hauptmann mit seinen Worten Recht behalten - es kam zum Kampf. Als ich mich nicht länger beherrschen konnte, stürzte ich mich auf ihn und rang ihn zu Boden. Und erneut griff Jander nicht ein. Als ich vom Hauptmann endlich abließ, musste man ihm seine Nase und seinen Arm wieder richten. Das sollte ihm eine Lehre sein. Ich ließ mich wieder fesseln und setzte mich hin. Am Abend empfing uns Jander im Haus meines Vaters, von den Fesseln befreit nahmen wir alle Platz. Isegrimm, Finn, Sven, Rökkva und ich, wir alle saßen gegenüber von unserem Hersir und meinem Onkel. Er hatte etwas furchteinflößendes, wenn er zornig war... Fast wie sein Vater Skafloc. „Sven und Rökkva, ihr seid in den Diensten meines Neffen, deshalb wird er sicher freudig eure Strafen tragen. Bereut eure Tat und geht mir aus den Augen.“ Janders mächtiger Blick wanderte zu Finn und verharrte. „Ich sollte dich unfrei sprechen oder gar zum Krüppel schlagen lassen, dafür dass du so dumm bist mit den Zweien hier zu ziehen. Aber dir kann man Unmut nicht einmal einprügeln, also werde ich dich bestrafen, indem die zwei hier deine Strafe tragen und du daran schuld bist.“ Finn riss die Augen weit auf und wollte Einwand erheben, tatsächlich hatte Jander einen wunden Punkt bei ihm gefunden. „Aus meinen Augen. Los.“ Finn verließ den Raum und blickte uns noch kurz sorgenvoll hinterher, jetzt waren wir nur noch zu zweit mit Jander. So wie wir es gern haben. Ich musste mir kurz ein Grinsen verkneifen, eine etwas seltsame Situation, dafür dass unser Leben auf dem Spiel stand. „Ich weiß warum ihr das getan habt. Aber ich will von euch hören, warum ihr mir nichts gesagt habt? Vertraut ihr mir nicht?“ „Nicht vertrauen? Wir wollten dich schützen, du hättest uns ziehen lassen und dafür unsere Strafe tragen müssen. Das wollten wir nicht, Oheim. Wir wissen wie streng dein Vater ist.“ Isegrimms kurze Worte verschlugen Jander die Sprache. Hatte er sich doch das Schlimmste ausgemalt und dabei sorgten sich seine Neffen nicht nur um ihr Dorf, nein auch um ihre Familie. Nach einem Moment fand Jander wieder seine Stimme. „Mein Vater will euch tot sehen.“ Er hielt inne. „Aber ich habe mich für euch eingesetzt, so wie ich es immer tue und tuen werde. Also hört mir zu, ich habe einen Plan, wie das hier alles gut ausgehen kann. Zu aller erst seid ihr von nun an keine Húskarle mehr – ich entbinde euch von eurem Eid, ich muss meinen nächsten Männern vertrauen können – absolutes Vertrauen - in jeder Beziehung. Jetzt zu dir, Isegrimm. Von nun an bist du auch kein Gesetzessprecher mehr, denn wer soll einem Mann glauben, der seinem Herrn nicht gehorchen will?“ Im Raum herrschte eine fast spürbare Totenstille. Jander war ein Meister mit seinen Worten, er sah es an Isegrimm. Ich ließ mir weniger anmerken, doch wahrscheinlich taten unserem Onkel selbst die Worte mehr weh als uns. „Ebenfalls kommt ihr mit auf unsere nächste Heerfahrt, Husavik hin oder her. Nutzt die wenigen Monate noch um eure Männer und Freunde hier vorzubereiten. Ich brauch euch bei mir, egal was die anderen über euch denken mögen und egal wie hart die Strafe ist. Entweder das… oder ihr werdet vogelfrei gesprochen.“

Jander schien sich noch andere Strafen auf der Zunge zergehen zu lassen, doch dann schreckte er plötzlich aus seinen Träumereien auf. „Jetzt geh, ich habe noch einige Worte mit Erik zu wechseln.“ Isegrimm nickte, verließ wortlos das Langhaus und hörte noch die letzten Worte seines Onkels. „Ich verstehe sein Handeln, dass mit seiner Mutter tut mir Leid. Aber warum hast du es getan, Erik? Warum bist du gegangen?“ Dann wurde die Tür hinter ihm geschlossen.

Finn, Sven und Rökkva saßen beisammen und wechselten kein einziges Wort miteinander, Isegrimm gesellte sich zu ihnen ohne das Schweigen zu brechen. Lange warteten sie auf Erik, bis sie Geschrei und mächtiges Getöse aus dem Langhaus hörten. Alle sprangen sie auf und eilten so schnell es ging wieder zurück zum Langhaus. Man hörte deutlich berstendes Holz und wie töpferne Kostbarkeiten zu Bruch gingen. An der Tür ließen die Wachen niemanden näher. Das Kampfgetöse nahm nun drinnen überhand. Und nun wurden auch vor dem Langhaus die Waffen gezogen. Alle verharrten, in wenigen Momenten würde wohl auch draußen ein Blutbad beginnen. Doch dann war alles ruhig. Die Tür öffnete sich langsam und Jander und Erik traten beide Arm in Arm in die dunkle Nacht hinein. Ihre Gesichter waren blutig geschlagen, Erik hatte einige Wunden und ein dickes Auge - Jander hielt sich unentweg das Kinn und spuckte Blut. „Alles ist gesagt worden, wir haben uns ausgesöhnt. Was die anderen der Sippe dazu sagen, bleibt euer Problem, ich nehme keinen von euch in Schutz… aber genau so wenig werde ich ihnen helfen.“ Er lachte sein typisches Lachen, das war ein gutes Zeichen. Am nächsten Morgen machten sich Jander und seine Männer wieder auf nach Bjarndyrvik. Wir hingegen begannen mit den weiteren Vorbereitungen Husavik und die Länder herum zu verteidigen. Keiner fragte Erik, was an dem Abend geschehen ist.