er Vatnajökull liegt im Südosten der Insel Reykjajar. Es handelt sich hierbei um ein riesiges Eisplateau, welches auf Grund seiner Größe schon vom weitem zu erspähen ist. Der respekteinflössende Anblick ist jedoch nicht nur Anschein, sondern vielmehr ein Anzeichen für die Macht und Kraft dieses Berges.

Nicht viele Menschen haben diesen Koloss bisher aus der Nähe gesehen, da er von den Einwohnern Reykjajars tunlichst gemieden wird. Grund dafür sind die Geschichten von tapferen Männern, die versuchten den Vatnajökull zu besteigen und welche nimmer gesehen wurden, nachdem sie diesen Versuch tätigten. Aus Überlieferungen ist über das Aussehen jedoch des Vatnajökulls folgendes bekannt:

Am Fuße des Vatnajökulls zeigt sich eine dünne Vegetationsschicht, welche aus Büschen und einigen Bäumen besteht. Einzig die Quellflüsse, welche an diesem Gletscher entspringen ziehen sich wie lebendige Adern durch das sonst so karge Land. Der Vatnajökull speist einen Großteil der Flüsse auf Reykjajar mit Wasser. Er ist Lebensquell die Insel und für Menschen, die auf ihr leben. Die friedlich scheinenden Quellflüsse können sich jedoch auch zu reißenden Strömen aufbauen, wenn die Sonne den großen Eisberg mit ihrer Hitze in die Knie zwingt und dieser sein Eis schmelzen lässt. Blickt man die Quellflüsse entlang den Berg hinauf erfüllt einen schnell ein beklemmendes Gefühl beim Anblick der gewaltigen Schönheit des Vatnajökulls. Die Sonne lässt die großen Eiswände erstrahlen und der Berg scheint ein Eigenlicht zu erzeugen, welches den Betrachter erschaudern lässt.

Das anmutige Antlitz des Gletschers hat wohl schon so manchen geblendet, welcher es dann auf den Versuch einer Bergbesteigung ankommen ließ. Der Berg hat jedoch noch ein zweites, ein grimmiges Gesicht, welches manch mutigen Nordmann hat nie wieder zu seiner Sippe zurückkehren lassen. Unter der großen Eisschicht des Vatnajökulls befindet sich ein zweiter Berg, welcher die Macht hat große Mengen an Feuer und Lava zu spucken. Nicht oft kommt es vor, dass dieser unterirdische Vulkan ausbricht. Die Alten und Weisen der Insel erzählen sich, dass der Berg immer dann ins grollen gerät, wenn Odin auf seinem Pferd Sleipnir nach Utgard reitet und das gesamte Totenreich zum erbeben bringt. Jedoch scheint Odin den Bewohnern auf Reykjajar wohlgesonnen, da er nicht all zu oft nach Utgard zu reiten scheint und nur selten Unglück über die Menschen kommt. Wenn dies jedoch geschieht so verwandelt sich der Vatnajökull in ein unheilbringendes Ungetüm, welches zunächst beginnt Lava und Feuer zu spucken. Dann beginnt der Berg zu beben und tiefe Spalten in den Eismassen werden sichtbar, aus welchen Schwefelgeruch emporsteigt. Alten Geschichten zu Folge sollen diese Spalten direkt in das Totenreich führen. Danach beginnen große Eismengen zu schmelzen und weite Teile des Landes im Osten der Insel zu überfluten. Nichts kann sich dieser Kraft entgegenstellen und alles wird verschlungen. Menschen, Tiere und Pflanzen können sich dem Tode sicher sein. Sie werden von den gewaltigen Wassermassen mitgerissen und ins Meer gespült. Jedoch folgt auf diese Zerstörung eine Zeit der des Neubeginns und der Fruchtbarkeit. Das Lavagestein und die großen Wassermassen haben das verwüstete Land wieder fruchtbar gemacht.

Neue Sippen können sich an alter Stätte ansiedeln und den nährstoffreichen Boden nutzen, um ihre Felder zu bestellen und das Vieh zu auf saftigen Wiesen grasen zu lassen.

Der Vatnajökull steht also nicht nur für Schönheit und Anmut sondern auch für Naturgewalt und Zerstörung und letztendlich für Fruchtbarkeit und Lebensquell der Insel. Er kann Anfang und Ende bedeuten.

von Erk Holgerson