ier will ich nun berichten von meinen Reisen zu den nördlichen Inseln im Eismeer. Die größte von ihnen ist Reykjajar, bewohnt von rauen Menschen ohne Kaiser und Könige. Zwanzig Tage dauert die Reise mit dem Schiff von den Küsten der Mittellande zu der größten Handelsstadt der Insel, genannt Silvurvik. Die folgenden Zeilen sollen nun meine Eindrücke über diese Stadt schildern und dem werten Leser ein Bild über das Leben im hohen Norden geben.

Früh erkennt man den Hafen, sowohl bei Tag, wie auch bei Nacht, denn auf einer Landzunge, die den Hafen im Westen begrenzt, steht ein gewaltiger Turm zwischen den steinigen Klippen und auf seiner Spitze brennt stets ein gewaltiges Feuer, auf dass der Hafen von niemanden verfehlt wird. Im Osten wird der Hafen eingezäunt von einer großen Palisade, die weit ins Meer hineinragt und so die Stadt vor Wellen und Wetter schützt. Der Hafen selbst bietet Platz für an die dreißig Schiffe, doch ist das Becken flacher als normal und viele laufen Gefahr, auf den Grund zu stoßen. Nur die Boote der Nordleute können dort ohne Probleme anlegen und wieder absegeln, sei es Kriegsschiff oder Handelsknorr.

Wenn man die Stadt von Meeresseite betritt, ist man gleich auf dem Markt und dem Lagerbereich der Stadt. Die Nordleute handeln mit allerlei Dingen, wie Kämmen aus den Stoßzähnen von Walrössern, Anhängern aus Bernstein, Felle von Robben, Daunen von Gänsen, Erz aus den Bergen der Insel, aber auch mit Sklaven. Überall auf dem Platz hört man die Männer ihre Waren anpreisen und sie übervorteilen sich bei ihren Preisen. Wer nicht Händler ist, scheint schnell den Blick für alles zu verlieren, so stark ist der Andrang der Menschen auf die Buden der Verkäufer. Doch es wird nicht nur gehandelt, sondern ebenfalls hart gearbeitet. Überall verladen Männer Waren auf Schiffe oder in die Lagerhäuser am Hafenbecken und stets hört man das laute Treiben an der großen Werft, wo die Nordleute ihre stolzen und schlanken Drachenboote bauen.

Es gibt nur zwei Wege vom Hafen, der eine ist die offene See und der andere ein Pfad, breit genug, dass zwei Fuhrwerke nebeneinander fahren können. Diese Straße ist, im Gegensatz zum gepflasterten Marktplatz, lediglich ein festgetretener Lehmweg mit schmalen Gräben zu beiden Seiten und führt direkt zu dem Tor, durch das man die Stadt Richtung Norden verlassen kann. Jedoch wollen wir die Stadt ja nicht verlassen und lenken unsere Schritte nun gen Westen. Hier wird der Weg schmaler, viele Häuser drängen sich dicht aneinander, windet sich schließlich als Pfad die Klippen hinauf und endet an dem hohen Turm, auf dessen Haupte das Signalfeuer lodert. Wir passieren die großen Häuser der reichsten Händler und die Stadtschmiede, in der sowohl Nägel und Beschläge für die Boote hergestellt werden, als auch die Äxte und Schwerter für die Wachen der Stadt.

So groß und prächtig die Häuser der Händler scheinen mögen, verblassen sie im Vergleich mit der Halle des Stadtverwalters. Diese liegt im Nordwesten, abgeschirmt durch einen hohen Holzzaun und stets bewacht von zwei mit Schild und Speer bewaffneten, in Brünne und verziertem Helm gekleideten Kriegern. Ihre Aufgabe ist es, die vielen Menschen einzulassen, welche jeden Tag mit ihren Anliegen zum Stadtherren kommen, seien es nun Abgaben, Klagen oder der Ersuch nach Hilfe vor Banditen und wildem Getier, das die Höfe außerhalb der Mauern der Stadt bedrohen. Viele der Bauern und Stadtbewohner, die ihr Anliegen vorbringen wollen, müssen mehr als einen halben Tag warten wenn sie vorgelassen werden wollen. Da der Andrang jedoch so groß ist, werden viele unverrichteter Dinge wieder nach Hause geschickt. Der Besitz des Stadthalters besteht aus einem Stall für Pferde, Schweine und Schafe, einem kleinen Nebenhaus als Schlafstätte für die Krieger der Stadt und die Halle des Herrn selbst, welche alle anderen Häuser überragt. Da ich selbst die Halle nie betreten habe, möchte ich hier nun die Worte eines Händlers, ebenfalls aus den Mittellanden, niederschreiben, auf dass der werte Leser sich sein eigenes Urteil darob bilden mag.

Das Haus ist ganz aus Holz errichtet und besteht, wie die meisten Gebäude der Nordleute, aus einem einzigen Raum, in dessen Mitte eine lange und tief ausgehobene Feuergrube für Wärme und Licht in dem fensterlosen Haus sorgt. An den Wänden entlang sind Bänke auf denen die Wartenden und Gäste einen Sitzplatz vorfinden mögen. Gegenüber dem Eingang, am anderen Ende der Feuerstelle, ist ein hohes Podest, worauf der Thron des Verwalters steht. Dort sitzt der Herr jeden Tag und kümmert sich um die Belange der Einwohner. Neben ihm stehen seine besten Krieger, groß und grimmig, gegurtet mit Schwert oder Axt und auf ihren Rücken tragen sie schwere Eichenschilde. Auch sie sind angetan mit Kettenhemden und verzierten Helmen, sowie Schienen an Beinen und Armen und einer Lederrüstung über der Brünne. Genannt werden sie Húskarle. Hinter dem Podest sind abgetrennte Zellen, vor jeder Sicht geschützt durch Vorhänge aus gefärbter Wolle. Dort schlafen der Herr und seine Familie, während Gäste entweder auf dem Boden oder den Bänken ruhen müssen. Doch soll der werte Leser wissen, dass auch der Stadtherr gelegentlich auf dem Boden oder in dem Haus seiner Krieger zu schlafen hat. Nämlich wenn sein Jarl die Stadt besucht und sich dort aufhält. Sein Name ist Skafloc Sturmbringer und er ist der Herr der Ylfinge, welche die Stadt beschützen und in ihr Handel treiben. Sie waren es, die die Stadt gründeten und den Hafen und die Wehranlage errichteten, doch nun leben viele Leute aus den unterschiedlichsten Sippen dort und die reichsten von ihnen müssen Abgaben zahlen, wenn sie mit ihren Waren am Hafen Handel treiben wollen. Dies ist der einzige Tribut den der Jarl von ihnen verlangt. Der geneigte Leser will nun bestimmt wissen, was er findet, wenn er dem Wege vom Marktplatz weiter Richtung Tor folgt, daher möchte ich seinem Verlangen entsprechen und ihm so gut es geht schildern, was meine Augen erblickten.

Entlang des Hauptweges stehen ebenfalls Holzhäuser, doch sind diese kleiner als jene auf der Klippe. Hier wohnen die weniger reichen Händler mit ihren Familien. Auch sind es ihre Lagerstätten und Werkstätten, denn die Nordleute brauchen nicht viel Platz daheim und sie halten nichts von einzelnen Räumen. Mitten im Herzen der Stadt findet man einen freien Platz, der nicht bedrängt wird von lärmenden Menschen, stinkigen Tieren oder Häusern. In seiner Mitte steht eine gewaltige Eiche, der einzige Baum in der Stadt. Dieser Platz ist den Göttern geweiht und hier halten ihre Priester die heidnischen Feste ab, auch wird hier öffentlich Recht gesprochen und vollzogen. Auf dem staubigen Boden kann man gut die dunklen Stellen erkennen, welche die Überreste vom Blut der Götteropfer, aber auch von den Hingerichteten sind.

Schließlich endet die Straße im Norden am großen Holztor der Stadt. Stets offen am Tage und verriegelt in der Nacht. Nie machen die Stadtwachen eine Ausnahme und jeder, der es nicht rechtzeitig bis Sonnenuntergang schaffen sollte, hinter die Tore der Stadt zu kommen, muss vor diesen lagern und bis zum Morgengrauen warten. Der schützende Wall verläuft von den Klippen im Westen bis zu dem Fluss, der die Stadt im Osten vor Feinden schützt. Vor der Palisade haben die Bewohner einen Graben ausgehoben und so ihren schützenden Wall mit der übrigen Erde erhöht, auf dass anrückende Feinde es schwer haben, die Stadt zu nehmen. Auch stehen große Türme zum Schutz der Stadt hinter der Mauer, bemannt mit Bogenschützen, die das flache Land überblicken und nach Feinden spähen. Die Männer tragen Schilde, Speere, Äxte oder Schwerter. Sie alle überragen die meisten Reisenden um Haupteslänge und sind schwer gerüstet.

Ich habe dem Leser nun den Hafen, die Hauptstraße, das Heim des Stadthalters, den Ritualplatz und die Wehranlage beschrieben, aber es leben viele Menschen in dieser Stadt und nicht alle sind reich. Folgt man den Wegen Richtung Osten, ändert sich das Bild deutlich. Viele der Häuser sind schräge Holzhütten, alle unterschiedlich groß. Die Menschen teilen ihr Heim mit Hühnern, Schafen, Ziegen und Schweinen und einige haben kleine Gärten angelegt, in denen sie Gemüse anbauen. Die Häuser reichen von der Hauptstraße bis hinunter zum Fluss und von der Palisade bis zum Hafen. Wer fremd in dieser Gegend ist sollte es nur bei Regen besuchen, denn es hat folgenden Umstand mit sich: Alle Wege haben Gräben am Rand, welche hinab zum Fluss führen. Nun sollte der Leser wissen, dass die Nordleute keine Bäder kennen, wie wir sie haben, auch haben nur die Reichen und die Bauern auf dem Lande Gruben, wie wir sie für unsere inneren Zwänge benutzen. Daher kann man oft sehen, wie sich viele von ihnen am Straßenrand erleichtern. Nun haben die Menschen das Glück, dass es hier oft regnet, so dass die Gräben dann voll laufen und den Dreck in den Fluss spülen. Doch kommt es auch vor, dass es lange trocken bleibt und dann wird der Gestank so schlimm, dass viele der Menschen die Stadt verlassen und vor den Mauern schlafen bis es wieder regnet. Nun habe ich dem Leser vieles beschrieben, was ich in Silvurvik sah und mein Bericht soll ihm nützlich sein, wenn er die Insel der Nordmänner bereist. Doch meine Reise ist hier noch nicht zu Ende, denn es gibt noch viele Orte auf der Insel, von denen ich glaube, dass sie des Beschreibens wert sind

von Erik Holgerson